Fany Kammerlander

Auf Reisen

7. Januar 2024

Lesezeit: 5 Minute(n)

Die Cellistin Fany Kammerlander ist eine Allrounderin jenseits stilistischer Grenzen und musizierte bereits mit zahlreichen Größen der internationalen Szene. 2011 und 2012 etwa war sie mit Deep Purple und Peter Gabriel auf Tournee, darüber hinaus spielte sie mit Michael Bublé, Stefanie Heinzmann, Jacob Brass oder den Bananafishbones. Seit fast zehn Jahren verbindet sie die Zusammenarbeit mit Konstantin Wecker. Kammerlander arbeitet gerne als begleitende Musikerin und kann sehr gut mitgehen – wenn das Gefühl stimmt.
Text: Kat Pfeiffer

Fany Kammerlander wurde in Frankfurt am Main geboren und wuchs in einem klassisch geprägten Elternhaus in Oberbayern auf. Ihre Mutter spielte Geige, der Vater Bratsche. Beide waren aber auch bei der Regensburger Tanzlmusi aktiv, wo der Vater Gitarre und Zither spielte. Beim Einschlafen hörte die kleine Fany oft entweder ein Streichquartett, das zu Hause probte, oder Volksmusik. Weil ihre Schwester ebenfalls Geige spielte, entschied sie sich mit elf für das Cello. Der warme Klang, den sie im Bauch spüren konnte, nahm sie unwiderruflich gefangen und begleitete sie – aufs Ignaz-Günther-Gymnasium in Rosenheim, in den privaten Cellounterricht bei Hans-Peter Besig sowie ans Richard-Strauss-Konservatorium in München. In den Meister- und Kammermusikkursen der Hochschule für Musik in Würzburg entwickelte sie ihr Talent weiter, begleitet unter anderem von Meistern wie Sergiu Celibidache, Julius Berger oder Heinrich Schiff.

„… wenn das Gefühl stimmt.“

2014 ergab es sich, dass Konstantin Wecker auf seiner „40-Jahre-Wahnsinn“-Tour wieder – wie in den Siebzigern – ein Cello dabeihaben wollte. Kammerlander sprang für die inzwischen nicht mehr aktive Hildi Hadlich ein und unterstützt seitdem sowohl im Konstantin Wecker Trio als auch im größeren Projekt „Utopia“ (bereits 2.0). Ob auf Poesie und Widerstand, Poesie in stürmischen Zeiten oder Weltenbrand mit Orchester – Kammerlander ist auf all diesen Alben mit von der Partie. Sie teilt Weckers pazifistische Weltanschauung und liebt seine vertonten Gedichte. Bei ihrem Lieblingslied von ihm, „Einfach wieder schlendern“, muss sie schon weinen, wenn es nur beginnt.

Die 150 gemeinsamen Konzerte in den ersten beiden Jahren haben Kammerlander die Ukulele nähergebracht. Ihr Cello (aus der Werkstatt Fridolin Rusch in Kempten) war zu groß, um unterwegs spontan zu jammen. Von den Celloquinten zu den Quarten der Ukulele wechselnd, wollte sie unbedingt ohne Noten, nur durch Hören lernen. Als sie auf die Bassukulele umstieg, nahm sie diese schließlich mit auf die Bühne. Es folgte der E-Bass, und seitdem sieht man sie bei Konzerten sowohl mit diesem als auch den beiden Ukulelen und dem Cello. Und singen tut sie auch.

Bei der Zusammenarbeit mit Wecker lernte sie den Pianisten Jo Barnikel kennen. Ein Konzert zu Ehren des verstorbenen Quadro-Nuevo-Gitarristen Robert Wolf – mit dem Kammerlander im Duo gearbeitet hatte – brachte die beiden musikalisch zusammen. Im Anschluss setzten sie ihre Kooperation fort und unterstützten unter anderem Live-Poetry-Projekte wie die des Münchner Lyrikers Albert Ostermaier in der Bar Gabanyi, wo die Cellistin auch Programmverantwortliche war. Während Corona wanderten die Konzerte in die Auferstehungskirche ins Münchener Westend, wo Kammerlander heute weiterhin eine monatliche Konzertreihe veranstaltet.

Sfera, wie Kammerlander und Barnickel ihr Duo nannten, trat 2020 auf Einladung der St.-Maximilian-Kirche erstmals als Trio auf. Hinzugestoßen war der Klarinettist Norbert Nagel. Bereits bei ihrer ersten Probe in Nürnberg, noch während des Lockdowns, verliebten sich alle drei in den entstehenden Klang. Im Sommer 2022 nahmen sie an nur zwei Studiotagen die Musik für ihr erstes Album auf. Es soll 2024 erscheinen. Die Besonderheit der Band liegt in Liedern ohne Worte, deren erste Stimme von den Instrumenten übernommen wird. Sfera erforscht die Welt zwischen Klassik und Avantgarde und spielt auf eigene, frische Weise Werke von Schubert, Bach, Piazzola oder auch weniger bekannten Vertretern wie dem griechisch-armenischen Komponisten Georges I. Gurdjieff. Besonders Letzteren hat Kammerlander gerne im Programm und möchte neben der wunderschönen Komposition „Assyrian Women Mourners“ noch mehr von ihm einbauen. Sfera spielen Jazz, Folk oder improvisieren leidenschaftlich. Sehr lebendig klingen Nagels „Bach in der Karibik“ oder Barnikels „Sense & Sensibility“.

Trio Sfera mit Norbert Nagel und Jo Barnikel

Foto: Promo

Neben Orchester, Streichquartett oder auch Musiktheater hat Kammerlander immer wieder Neues ausprobiert. Als Begleitung der Band Somersault (siehe unten) entwickelte sie mittels Effektboard mit verschiedenen Gitarreneffekten ein eigenes Soundsystem. Damit reizt sie die Klangfarben des klassischen Cellos aus und färbt die Musik nach Laune ein. Sie experimentiert mit Hall, produziert ungekannte „Klangwolken“ und erzeugt neue Tonarten, indem sie harmonierende Töne vervielfacht. „Wenn man die Effekte untereinander mischt“, erklärt sie, „entsteht ein neues Klangfeld. Damit gibt man der Musik mehr Kraft und Facetten. Ich kann die Oktaven rauf- und runterschieben und so mit dem Cello mal Kontrabass, mal Geige simulieren.“ Ihr Soundsystem erfordert höchstes Feingefühl. Da sie auf der Bühne in der Regel High Heels trägt, zieht sie dazu immer einen Schuh aus, denn diese Klangwelt lässt sich nur barfuß bedienen.

Fany Kammerlander hat sich auf Bandbegleitung spezialisiert und macht auch in Jazzprojekten einen tollen Job – etwa im Jazzensemble des deutschen Saxofonisten Peter Lehel. Für die Singer/Songwriterin Gudrun Mittermeier (vormals Somersault), mit der sie seit 2003 arbeitet, hat sie Musik geschrieben, arrangiert, gespielt und sogar zweistimmig mitgesungen. In diesem Kammerpopstil, bei dem die Liedermacherin noch englisch sang, entstanden drei gemeinsame Alben. Für Mittermeiers aktuelles Werk auf Bairisch, Seeheim (2020), schrieb und arrangierte die Cellistin die Musik für Streichquartett und spielte sie mit ihrem Frauenprojekt Toxic Garden ein. Alleine nahm sie auch mehrere Celli übereinander auf.

Besondere Lebensereignisse wandelt Kammerlander in Musik um, die sie für ihr geplantes Soloalbumprojekt Prayers aufnimmt. Gurdjieff mit seinen armenischen Melodien und Sufimotiven ist auch dabei eine große Inspiration. „Für mich ist das eine wilde Reise“, sagt sie. Manche ihrer Cellokompositionen bringt sie in das Duoprojekt Baltasound mit Martin Kälberer ein, das von dessen Reisen und von der Weite der schottischen Inseln inspiriert wurde. Inmitten der geräumigen Klänge von Klavier, Hang und Stimme kann Kammerlander viel improvisieren und mit ihren musikalischen Entdeckungen weiterwachsen. Durch Kälberer lernte sie auch dessen anderen Duopartner Werner Schmidbauer kennen, woraus sich 2014 eine Beteiligung auf deren Album Wo bleibt die Musik? ergab.

Fany Kammerlander liebt Poesie von Rainer Maria Rilke, Mascha Kaléko oder Christian Morgenstern. Und sie schreibt auch, aber nur für sich. Inspiration schöpft sie aus dem Licht, der Lebensfreude und der Art des Lebens in Südfrankreich. Dort entstünden ihre schönsten Gedichte und Kompositionen. Sowie in ihrer Hütte in den bayerischen Bergen, an der Grenze zu Tirol, wo sie aufgewachsen ist. All das hört man in ihrer Musik.

www.fanymusic.com

 

Videolinks:

Konstantin-Wecker-Trio mit Fany Kammerlander und Jo Barnikel, „Poesie in stürmischen Zeiten“, Livestream vom 22.3.2020: www.youtube.com/watch?v=08LcvohsVeM&t=1s
Trio Sfera, „Couchkonzert No. 3“ in der Pasinger Fabrik am 12.2.2021: www.youtube.com/watch?v=1-Joj6ZMLIw
Martin Kälberer und Fany Kammerlander (Baltasound Duo), „Near and Far“ live im Parktheater Göggingen am 18.5.2018: www.youtube.com/watch?v=Jd11qBx5naA

 

Aufmacherfoto:

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