Heimstätte regionaler Musikschaffender

Das rheinhessische Label LeiseLaut

23. August 2023

Lesezeit: 4 Minute(n)

Mit den Songfestivals auf Burg Waldeck entstand in den Sechzigern ein Folkrevival, das durch die Nazidiktatur verfemte Musiktraditionen wiederbelebte und im internationalen Austausch neue Musikgruppen (Ougenweide, Liederjan, Haindling), -formen (Deutschfolk, Folkrock) und -verknüpfungen (Musik der Regionen, Weltmusik) hervorbrachte. Mit der Tom Bombadil Folkband (Mundart), An Tor (Irish Folk), Goo Birds Flight (Folkrock) und anderen kann Rheinhessen eine lebendige, vier Jahrzehnte gewachsene Folkszene vorweisen.
Text: Fred Balz

Dass dahinter seit 2002 (bis zur Zwangspause Klaus Eblings wegen einer Krebserkrankung) das Dienheimer Label LeiseLaut stand – das 2021 Jahr für ein Mundartalbum des Duos klac (Karl Ott und Klaus Ebling) wiederbelebt wurde –, ist Grund genug, sich mit dieser ungewöhnlichen Plattenfirma zu beschäftigen. Eine weitere neue Produktion soll die geplante Veröffentlichung der Tom Bombadil Folkband mit politischen und antifaschistischen Liedern, darunter drei Texte von Carlo Mierendorff – einem Mitverschwörer des Undenheimer Widerstandskämpfers Ludwig Schwamb während der Nazizeit – sein, die bereits in Auszügen von der Band in der Gedenkstätte KZ Osthofen vorgestellt wurde.

klac (Foto: Emma Ebling)

Geschäftlich haben die LeiseLaut-Gründer Klaus Ebling (Klavierlehrer, Kinderchorleiter, Akkordeonist bei Tom Bombadil und klac), Marcus Metz (Rechtsanwalt, Gitarrist bei An Tor) und Nils Nolte (IGS-Lehrer, Flötist bei An Tor) den kommerziellen Höhenflug der CD verpasst.  Wer LeiseLaut googelt, findet sich erst mal auf einem Popmusikblog wieder. Beim Start ihres Kleinstlabels war noch nicht abzusehen, dass Streamingdienste (für weniger als einen halben Cent pro Stream!) der CD ernsthaft Konkurrenz machen würden.

Nach der Jahrtausendwende planten An Tor und die Tom Bombadil Folkband neue Veröffentlichungen. Foreign Feathers (Irish Folk) und Pas de Quoi (BalFolk) suchten ebenfalls ein Label. Die Entscheidung, Folkmusikschaffenden selbst eine Plattform zu bieten, fassten die Gründer nach Absage des Verlags der Spielleute. Man entwarf ein Konzept für die Firma, die gleich dem Pianoforte (in Übersetzung) „LeiseLaut – Label für Folkmusik“ heißen sollte. Regelmäßige Konzerte in den Folkclubs Rüsselsheim und Taunusstein, Besprechungen im folker, Vorstellungen der Alben in der „Hörbar“ bei HR2 und Labelfestivals in der Kirche Niedernhausen ließen die Fachwelt aufhorchen.

An Tor mit Michaela Haitz (Foto: Promo)

 

Für den rechtlichen Rahmen, Künstlerverträge und Abrechnung mit GEMA (Autorentantiemen) und GVL (Leistungsschutzrechte) zeichnete Jurist Marcus Metz verantwortlich. Die Tonaufnahmen fanden in Nils Noltes Wiesbadener nakedstreet-Tonstudio statt. Er kümmerte sich auch um Überspielung und Herstellung der CDs, während Gattin Eva Giovannini (Geigerin bei Goo Birds Flight und Inhaberin eines Designstudios) fürs Layout zuständig war. Sie war es auch, die den Hingucker des Labels, die tanzende Heuschrecke entwarf. Um Beratung im Vorfeld, Öffentlichkeitsarbeit, Beschickung von Archiven, Zeitschriften und Radiostationen sowie alle weiteren geschäftlichen Belange kümmerte sich Klaus Ebling. Die Anbindung an einen effizienten Vertrieb wurde nicht erreicht. Die CDs mit einer Auflage von 300 oder 500 Exemplaren können aber direkt bei den Bands, teilweise auch beim Label bestellt werden.

Goo Birds Flight (Foto: Promo)

Schwerpunktmäßig widmete sich LeiseLaut der traditionellen akustischen Musik der Regionen, wie man sie in Rheinhessen, der Bretagne, England oder Irland findet. Dass sich deutsche Volkslieder mühelos mit irischen Jigs, französischem Bal Folk, alpenländischer Volksmusik und sogar Balkanklängen vertragen, haben Tom Bombadil, Pas de Quoi, Uilleann Piper Johannes Schiefner oder die Austroiren Black Market Tune begriffen und in ihre Musik integriert.

So entstanden bis heute über dreißig Alben unter anderem der rheinhessischen Bands An Tor, Tom Bombadil Folkband, Goo Birds Flight, Foreign Feathers, Ginger, Klaus Ebling (solo) und Earthloop (mit dem Duo Broom Bezzums) fernab ausgetretener Musikpfade. Mit Ensembles wie Crosswind, Itchy Fingers, Sudden Flow, dem Flötisten Rudi Schömann und dem deutsch-irischen Sextett Emerald lag ein Schwerpunkt auf keltischem Folk, vielfach mit Gastmusizierenden des LeiseLaut-Umfelds, die auch für andere Produktionen vermittelt wurden. So haben Tom Bombadil und An Tor bei Film- und Theaterproduktionen mitgewirkt, Nils Nolte wurde als Flötist für Studioproduktionen von Reamonn, Tim Neuhaus und Ireen Sheer gebucht.

Neun Monate Lehrerpause, in der Nolte mit Familie Thailand und Neuseeland bereiste, sowie die Krebserkrankung Klaus Eblings beendeten 2017 vorerst alle weiteren LeiseLaut-Aktivitäten. Dank neuer Krebstherapien geht es Klaus Ebling derzeit gut. Seit Veröffentlichung des Mundartalbums Iwwerfluch im Dezember 2021 mit klac hat er wenige ausgesuchte Auftritte absolviert. Als Nächstes steht die erwähnte neue Produktion der Tom Bombadil Folkband an.

www.leiselaut.com

Auswahldiskografie:

Foreign Feathers, Ripe (2003)

Pas de Quoi, Quand Le Bal Est Fini (2005)

An Tor, Craic Of Dawn (2006)

Tom Bombadil Folkband, Dans Mon Village (2007)

Klaus Ebling, Diatomatique (2012)

Goo Birds Flight, Irish.Folk.Rock (2016)

klac, Iwwerfluch (2021)

 

Videos:

Tom Bombadil Folkband mit „The Sailor, Home From Sea“ von Friedrich Vollrath, ursprünglich von 1991, hier 31 Jahre später: www.youtube.com/watch?v=nSfId2KjxPg

 

Duo klac mit „Kummer“ (Klaus Ebling) von 2021, einem kleinen Lied in rheinhessischer Mundart: www.youtube.com/watch?v=wAU1FT0-GnQ

 

Klaus Ebling mit „Dans nochemol“ von 2021, einem wehmütigen Walzer: www.youtube.com/watch?v=8iw5smfYNqI

 

An Tor, „Jigs At Home“, 2019: www.youtube.com/watch?v=XBKfD9zqfkg

 

Goo Birds Flight live in Speyer, Februar 2020: www.youtube.com/watch?v=wzEHtFBsaiU

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